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Discuto
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Im folgenden Text haben wir unsere Sicht auf die wichtigsten Elemente für eine Grüne Agenda für krisenfeste, verbraucher- und investitionsfreundliche Finanzmärkte zusammengefasst. Sie beruhen auf unseren Erfahrungen in der Finanzmarktpolitik in Bundestag und Europaparlament sowie aus aktiver Tätigkeit im Finanzmarkt. Jetzt hoffen wir auf Ihr und Euer kritisch-konstruktives Feedback und Vorschläge für Änderungen, Streichungen und Ergänzungen. Wir freuen uns auf Kommentare und Bewertung bis zum 15. März 2016 Alle Kommentare werden wir bei der Erstellung der Endfassung berücksichtigen, die dann zu einem gemeinsamen Beschluss der Grünen wirtschafts- und finanzpolitischen Abgeordnetengruppen in Europaparlament und Bundestag führen soll.
Für Textänderungen bitte auf den Stift oben rechts bei jedem Paragraphen klicken!
Gerhard Schick, Sven Giegold, und Udo Philipp
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P17
Die ölexportierenden Länder hatten angefangen. Es folgten China und andere asiatische Staaten. Seit einigen Jahren hält jedoch Deutschland den traurigen Negativrekord: wir sparen viel mehr, als wir investieren. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss hat inzwischen 8% des BIP erreicht. Leistungsbilanzüberschüsse sind nichts anderes als die mathematische Differenz zwischen Ersparnissen und Investitionen. Weil wir viel zu wenig investieren, exportieren wir unsere Ersparnisse ins Ausland. Dieses Jahr dürften es über 200 Milliarden Euro werden. So finanzieren wir Schuldenblasen überall in der Welt.[2]
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P18
Innerhalb Europas gibt es zwar inzwischen das sogenannte „Sixpack“ und das Europäische Semester, die es der Kommission erlauben, ein Verfahren gegen makroökonomische Ungleichgewichte einzuleiten. Auf Druck von Deutschland wurde der Schwellenwert mit 6% vom BIP jedoch extrem hoch angelegt. Und obwohl Deutschland diesen Wert nun schon seit einigen Jahren überschreitet, wurden immer noch keine Sanktionen eingeleitet.
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P19
Unser Green New Deal ist die Antwort auf dieses Problem. Wir wollen die Investitionstätigkeit in Deutschland und Europa wieder deutlich ausweiten. Die öffentliche Hand darf nicht länger die Infrastruktur verfallen lassen und auch private Unternehmen müssen wieder verstärkte Anreize erhalten zu investieren. Wir wollen insbesondere nachhaltige Zukunftsinvestitionen fördern, damit die Überschüsse nicht wieder den Finanzsektor aufblähen, kreditfinanzierte Blasen und so die nächste Krise verursachen, sondern in solide und nachhaltige Projekte geleitet werden. Und wir wollen die in den letzten Jahrzehnten stark aufgegangene Schere der Einkommens- und Vermögensungleichheit wieder schließen, da diese eine wichtige Ursache für die hohe Sparneigung und die geringe Nachfrage in unseren Volkswirtschaften ist.
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P20
Wir wollen zudem das europäische Semester auch für Überschussländer konsequent anwenden. Länder mit regelmäßigen Überschüssen sollen schon ab einer Schwelle von 4% Gegenmaßnahmen ergreifen, wie es bei Staaten mit Defiziten schon der Fall ist. Und wir wollen dafür sorgen, dass in Zukunft nicht nur geredet wird, sondern die politischen Maßnahmen auch wirklich umgesetzt werden müssen. Bei Nichtumsetzung sollen in Zukunft bereits früher harte Sanktionen verhängt werden.
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Blasen früh erkennen und gezielt bekämpfen
P21
Der neugegründete Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) ist das zentrale Gremium für sogenannte makroprudenzielle Überwachung, sprich Blasenprophylaxe. Dem Ausschuss gehören jeweils drei Vertreter*innen des Bundesministeriums der Finanzen, der Deutschen Bundesbank und der BaFin an. Er erörtert auf Grundlage von Analysen der Bundesbank Sachverhalte, die für die Stabilität des deutschen Finanzsystems von Bedeutung sind. Der Ausschuss kann aber nur Warnungen und Empfehlungen aussprechen.
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P22
Das Pendant in Europa ist das European Systemic Risk Board (ESRB). Im Leitungsgremium der ESRB sind u.a. die Präsident*innen der nationalen Zentralbanken, der EZB, sowie der europäischen Regulierungsbehörden vertreten. Aber auch sie dürfen genauso wie der AFS nur Analysen anfertigen und Empfehlungen aussprechen. Leider setzen sich aber die EU Kommission und der Europäische Rat mit schnöder Regelmäßigkeit über diese Empfehlungen hinweg und beschließen das Gegenteil.[3] Der ESRB leidet zudem an einem institutionellen Interessenskonflikt, weil er direkt in der EZB angesiedelt ist, sprich der gleichen Organisation, wie die gemeinsame EU-Bankenaufsicht und die Geldpolitik. Der ESRB müsste daher unter Umständen Entscheidungen der EZB hinterfragen, deren Teil er selbst ist.
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P23
Wir wollen zum einen die Datentransparenz verbessern. Die Notenbanken sollen nicht nur die normale Verbraucherpreisinflation überwachen sondern auch kreditfinanzierte Blasen. Wir brauchen daher insbesondere in Deutschland verlässliche offizielle Daten zu Risikoindikatoren auf den Finanzmärkten. Wir wollen zum Beispiel in Zukunft die Immobilientransaktionen über die Grunderwerbsteuer systematisch auswerten und so einen detaillierten Index zur Entwicklung der Immobilienpreise vorlegen. Es ist unverständlich, dass sich die Bundesbank derzeit auf die Daten einer kommerziellen privaten Immobilienberatungsfirma verlassen muss. Wir halten es für sinnvoll, Daten zum Verschuldungsgrad der Haushalte und Unternehmen zu erheben und zur Qualität der Kredite und begrüßen die Initiative der Bundesbank.
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P24
Wir wollen die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass die makroprudentiellen Aufsichtsgremien ESRB und AFS bei Fehlentwicklungen innerhalb definierter Grenzen institutsübergreifende Maßnahmen ergreifen können wie konjunkturelle Eigenkapitalzuschläge für Banken erheben, die Sicherheitsstandards für Kredite verschärfen oder Beleihungsobergrenzen für Immobilienkredite anheben. Außerdem sollen der ESRB Gesetzesvorschläge machen dürfen, auf die die EU Kommission reagieren muss, entweder indem es die Vorschläge aufgreift oder mit Begründung ablehnt („comply or explain“). Voraussetzung für diese aktivere Rolle ist eine adäquate parlamentarische Kontrolle dieser Gremien, wie für den ESRB bereits realisiert.
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P25
Mit diesen Maßnahmen wird jedoch nur ein Teil der überschäumenden Risikoneigung im Finanzmarkt gelöst. Insbesondere besteht die Gefahr, dass sich Risiken nur in andere Bereiche der Finanzwirtschaft verlagern.
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P26
Daher müssen wir uns mit dem Dilemma expansiver Geldpolitik während einer Rezession auseinandersetzen. Wenn, wie momentan, die Arbeitslosigkeit in Europa so hoch ist, dass die Preisentwicklung in die Deflation abgleiten könnte, muss die EZB dafür sorgen, dass die Preise stabil bleiben, sprich mit etwa 2% pro Jahr steigen. Expansive Geldpolitik ist also wichtig, die geldpolitischen Mittel haben jedoch unerwünschte Nebenwirkungen.
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Rolle der Geldpolitik
P27
Mittels Käufen von Wertpapieren, quantitative easing, und extrem niedrigen Zinsen flutet die EZB den Markt mit Liquidität. Das Ziel dieser Maßnahmen ist, dass die Unternehmen und Haushalte verstärkt Kredite aufnehmen, die Anleger mehr Risiken eingehen und dass die Vermögenspreise steigen. Schließlich soll der Euro abwerten. Auf diese Weise sollen die Investitionen und der Konsum ansteigen und sich die Inflation wieder auf 2% einpendeln.
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P28
In den USA und in Großbritannien funktionieren die Niedrigzinspolitik und quantitative easing recht problemlos, weil dort die meisten Menschen in ihrer eigenen Immobilie wohnen und Kreditverträge mit variablen Zinsen haben[4]. Wenn sich dort der Zinssatz halbiert, ist das fast so, wie wenn der Staat in Deutschland den Bürger*innen die Hälfte ihrer monatlichen Miete schenken würde. Bei uns kommt die Zinssenkung nicht im gleichen Maße Nachfrage stimulierend bei den Haushalten an, weil es einerseits weniger Immobilienbesitzer gibt und weil andererseits Immobilien mit langfristig fixen Zinsen finanziert werden. Außerdem erfolgt die private Altersvorsorge in Deutschland über festverzinsliche Anlagen, während sie in den USA weitgehend über die Börse läuft. Deutsche Bürger*innen müssen bei einer Zinssenkung also ihre Sparleistung deutlich erhöhen, wenn sie ihre Rente konstant halten wollen. In den USA hingegen können sie ihre Sparleistung reduzieren, weil die Geldpolitik ihr Aktienvermögen auf ungeahnte Höhen treibt. Dazu kommt noch, dass in den USA und Großbritannien die Regierungen nicht so manisch fokussiert auf Austeritätspolitik sind und mit fiskalischen Maßnahmen parallel die Nachfrage stimulieren.
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P29
In Deutschland und anderen Ländern Europas hat die auf sich allein gestellte EZB mit ihrer klassischen Geldpolitik Schwierigkeiten, deflationäre Tendenzen wirksam zu bekämpfen. Außerdem müssen wir bei all den begrüßenswerten Effekten der Geldpolitik der EZB, insbesondere zur Stabilisierung des Euro, auch die negativen Nebenwirkungen adressieren: Vermögenspreisinflation, erneute Blasenbildung, verzweifelte Suche nach Rendite, überbordende Risikoneigung und gravierende Probleme für breite Teile der Finanzindustrie wie kleinen Banken, Bausparkassen, Lebensversicherer sowie andere private Altersvorsorge. Die Risiken einer neuen Blase und einer neuen Finanzkrise dürfen nicht ausgeblendet werden.
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P30
Ein Denkmodell wäre, dem Rat berühmter Monetaristen wie Irving Fisher, Milton Friedman oder Ben Bernanke zu folgen, und Geld direkt an die Haushalte zu verteilen anstatt die Verschuldung des Finanzsektors künstlich aufzublähen. In den USA hat die Notenbank über 3,6 Billionen Dollar gedruckt - 11.250 Dollar pro Einwohner - und in den Finanzsektor gepumpt. Wahrscheinlich wäre nur ein Bruchteil davon notwendig gewesen, wenn sie direkt Geld geschöpft und in die Realwirtschaft eingebracht hätte. Anstatt also Milliarde über Milliarde an von der EZB geschaffenen Geld an Banken und Investmentfonds zu verteilen, die damit kaum vermehrt Kredite ausreichen geschweige denn langfristig investieren, würde die Zentralbank zielgerichteter Inflation bekämpfen. Wenn jedeR Bürger*in nur ein Bruchteil dieses Geldes erhielte, würde es sofort nachfragewirksam und die Deflation wäre vermieden.
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P31
Man hört oft, dass diese Form der expansiven Geldpolitik gefährlich sei und daraus unbeherrschbare Inflation entstehen könnte. Das gleiche Argument hören wir nun schon seit sieben Jahren bezüglich der Niedrigzinspolitik. Gefährlich wäre nur, wenn die Notenbank trotz anziehender Inflation immer weiter Geld drucken würde. Die EZB ist jedoch unabhängig. Sobald die Inflation wieder bei 2% liegt, würde sie die Zahlungen an die Bürger*innen wieder einstellen. Bürgergeld wäre also mit hoher Wahrscheinlichkeit ein sinnvolles Instrument, um eine echte Deflation zu bekämpfen und insbesondere dann vorzuziehen, wenn Deflation und eine Finanzmarktblase gleichzeitig auftreten sollten. Dies ist derzeit jedoch nicht der Fall. Die Inflation liegt zwar nicht bei dem gewünschten Ziel von 2% und die Finanzmärkte sind überhitzt. Aber von einer Deflationspirale kann zum Glück derzeit keine Rede sein.
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P32
Außerdem müssen wir immer daran denken, dass unser Geldsystem ausschließlich auf Vertrauen aufbaut. Eine radikale Maßnahme wie Bürgergeld könnte dieses so wichtige Vertrauen in die Solidität des Euro untergraben. Bürgergeld sollte daher das geldpolitische Mittel der letzten Wahl bleiben und nur bei einer echten Deflation eingesetzt werden, und nur dann, wenn klassische Geldpolitik und quantitative easing eine Blase auf den Finanzmärkten hervorrufen.
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P33
Richtig ist es jedoch, dass die EZB in Zukunft Deflationsgefahren nicht mehr alleine bekämpfen sollte. Ideal wäre eine koordinierte Geld- und Fiskalpolitik, um sinnvolle Zukunftsinvestitionen zu tätigen und um gezielt die Bezieher*innen von geringen Einkommen zu entlasten. Unsere Forderung ist, endlich einen sinnvollen Politikmix in Europa zu erreichen. Expansive Fiskalpolitik muss die expansive Geldpolitik ergänzen. Nur so – das zeigt auch die japanische Erfahrung der letzten Jahre – kann ein Ausweg aus einem deflatorischen Kontext gelingen. Nach unserer Vorstellung geht es dabei natürlich nicht um irgendwelche Staatsausgaben, sondern um ökologisch sinnvolle Investitionen. Wenn im Rahmen des Green New Deal die Investitionstätigkeit wieder auf ein vernünftiges Niveau ansteigt und die Ungleichheit wieder abnimmt, werden auch die Voraussetzungen für die EZB geschaffen, aus ihrer expansiven Geldpolitik wieder auszusteigen.
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