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Discuto
0 days left (ends 15 Mar)
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Im folgenden Text haben wir unsere Sicht auf die wichtigsten Elemente für eine Grüne Agenda für krisenfeste, verbraucher- und investitionsfreundliche Finanzmärkte zusammengefasst. Sie beruhen auf unseren Erfahrungen in der Finanzmarktpolitik in Bundestag und Europaparlament sowie aus aktiver Tätigkeit im Finanzmarkt. Jetzt hoffen wir auf Ihr und Euer kritisch-konstruktives Feedback und Vorschläge für Änderungen, Streichungen und Ergänzungen. Wir freuen uns auf Kommentare und Bewertung bis zum 15. März 2016 Alle Kommentare werden wir bei der Erstellung der Endfassung berücksichtigen, die dann zu einem gemeinsamen Beschluss der Grünen wirtschafts- und finanzpolitischen Abgeordnetengruppen in Europaparlament und Bundestag führen soll.
Für Textänderungen bitte auf den Stift oben rechts bei jedem Paragraphen klicken!
Gerhard Schick, Sven Giegold, und Udo Philipp
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LANGFRISTIGKEIT FÖRDERN
P189
Die wichtigste Funktion der Finanzwirtschaft ist die sogenannte Kapitalallokation. Die Gelder der Sparer*innen müssen in die gesellschaftlich vielversprechendsten Projekte gelenkt werden. Ob ein Windpark gebaut werden soll, bessere Batterien für Elektrofahrzeuge entwickelt werden oder ob eine Elterninitiative eine neue Kita einrichten will, alle Projekte brauchen eine langfristige und flexible Finanzierung. Wenn die Finanzmittel fällig werden, bevor die Investitionen wirklich Früchte tragen, kann das den Ruin des Projektes bedeuten. Genauso gefährlich ist ein hoher und starrer Schuldendienst, weil dann schon eine Zeitverzögerung oder ein anderes kurzfristiges Problem die Zahlungsunfähigkeit bedeutet. Wenn Investitionen zu sehr über Fremdkapital und zu wenig mit Eigenkapital finanziert werden, ist dies sowohl für die einzelnen Projekte riskant wie auch gesellschaftlich problematisch, da sich aus dem hohen Fremdkapitalhebel leicht volkswirtschaftliche Instabilität und Prozyklizität ergibt. Daher wollen wir Langfristigkeit in der Finanzierung fördern und Eigenkapital sowohl für die Anleger wie für die Unternehmen im Vergleich zu Fremdkapital attraktiver machen.
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Kundeneinlagen vom täglich fälligem Girokonto in längerfristige Sparformen
P190
Die Finanzindustrie in ihrer heutigen Form hat darauf keine überzeugenden Antworten.
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P191
In Deutschland halten die Haushalte 39% ihres Finanzvermögens - knapp 2 Billionen Euro, also fast 100% des jährlichen Volkseinkommens - als Bargeld und Einlagen bei Banken. Es ist schwer erklärlich, warum im Durchschnitt jeder Haushalt ein ganzes Bruttojahreseinkommen täglich verfügbar haben muss. Banken haben keinen Anreiz, Kunden durch höhere Zinsen in längerfristige Anlageformen zu bewegen. Aus regulatorischer Sicht gelten Kundeneinlagen als stabile Form der Refinanzierung, auch wenn sie täglich fällig sind. Tatsächlich waren in der Finanzkrise Kundeneinlagen deutlich stabiler als Interbankenkredite. Dies muss aber nicht so bleiben. Wir halten es daher für sinnvoll, die Sparer*innen dazu zu bewegen, einen großen Teil ihrer Ersparnisse langfristig anzulegen. So können Investitionen wesentlich risikoärmer finanziert werden. Wir wollen daher die Versicherungsprämien für die gesetzliche Einlagensicherung so staffeln, dass Banken mit langfristigen Kundeneinlagen geringere Prämien zu zahlen haben.
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Reform der privaten Altersvorsorge
P192
Nach dem Geld auf dem Bankkonto, ist die Lebensversicherung das Lieblingsprodukt deutscher Sparer*innen. Jahr für Jahr werden über 80 Milliarden Euro an eines der 93 Lebensversicherungsunternehmen überwiesen. Das sind über 5% des verfügbaren Einkommens und 55% des jährlichen Sparvolumens deutscher Haushalte. Die private Altersvorsorge ist eigentlich die ideale Quelle für langfristige Investitionsmittel. Das Geld kann theoretisch für Jahrzehnte angelegt werden. Der Sparerin sollte es eigentlich egal sein, wenn der Wert ihrer Guthaben im Laufe der Jahrzehnte hohen Schwankungen unterliegt, solange am Ende eine vernünftige Rente gesichert ist. Trotzdem legen Lebensversicherer nur 3% ihrer Geldanlagen in Aktien oder anderen Eigenkapitalanlagen an, obwohl die Regulierung eigentlich einen höheren Anteil erlaubt. Der Grund liegt in ihrem derzeitigen Geschäftsmodell.
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P193
Lebensversicherer gestatten ihren Kund*innen jederzeitiges Kündigungsrecht und garantieren einen festen Wert für das Kundenguthaben. Damit hat auch die Lebensversicherung den Charakter eines Bankkontos und kann nur in liquide und festverzinsliche Anlagen investieren. Angesichts der Drückerkolonnen im Vertrieb und 5% sofort fälliger Abschlussgebühr auf die über Jahrzehnte geplante zukünftige Sparleistung bei einem Lebensversicherungsvertrag sind solche Verbraucherschutzmaßnahmen unumgänglich. Sie machen aber eine echte langfristige Anlage der Lebensversicherer fast unmöglich.
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P194
Wir wollen daher die private Altersvorsorge reformieren und so wie in Schweden einen Bürgerfonds ins Leben rufen. Dieser Fonds wird keine Vertriebsprovisionen in Rechnung stellen und aufgrund seiner Größe wird die laufende Verwaltungsgebühr vernachlässigbar sein. In dem Bürgerfonds kann Altersvorsorge langfristig angelegt werden, sprich Gelder, die nicht jederzeit kündbar sein müssen und die zwischenzeitlichen Wertschwankungen unterliegen können. So kann der Bürgerfonds, wie auch das erfolgreiche schwedische Modell zeigt, die Wirtschaft mit Eigenkapital unterstützen und langfristige und nachhaltige Investitionen finanzieren.
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P195
Dieser Bürgerfonds soll auch für die betriebliche Altersvorsorge offen stehen. Für kleine Unternehmen ist betriebliche Altersvorsorge heute kaum zu organisieren, wenn sie diese nicht an eine private Lebensversicherung auslagern. Die Unternehmen tragen dann aber trotz Abschluss einer Versicherung weiterhin voll das Risiko der Altersvorsorge. Das heißt, wenn der Lebensversicherer insolvent wird, haftet das Unternehmen für seine betriebliche Altersvorsorge. Dieses Risiko ist angesichts der oben geschilderten gravierenden Probleme der Versicherungswirtschaft nicht rein hypothetisch. Da Unternehmen neben der Zahlung von Beiträgen an die Versicherer keine weitere Vorsorge für ihre Pensionszusagen treffen, könnte der Konkurs eines Versicherers viele Mittelständler in Deutschland gefährden.
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P196
Für die Begünstigten der betrieblichen Altersvorsorge ist die Vorsorge über Lebensversicherung aufgrund der exorbitanten Kosten und mangelnden Verbraucherfreundlichkeit der Lebensversicherungsverträge auch nicht attraktiv.
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Haltedauer von Aktien und anderen Wertpapieren
P197
Wir werden außerdem an verschiedenen anderen Stellen im Finanzmarkt gezielt Langfristigkeit fördern. Die Unternehmenskultur hat sich in den letzten Jahrzehnten immer stärker in Richtung kurzfristige Gewinnsteigerung gewandelt. Ein Grund hierfür ist der Aktienmarkt mit seiner Fokussierung auf Quartalsberichte und schnelle Erfolge. Investitionen, insbesondere in Weiterbildung, in Forschung und Entwicklung aber auch in Maschinen, belasten zunächst die Gewinn- und Verlustrechnung und rechnen sich oft erst nach vielen Jahren. Unternehmen, die in die Zukunft investieren, brauchen daher geduldiges und langfristig orientiertes Kapital.
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P198
Auch für die meisten Manager*innen lohnt es sich nicht, auf langfristigen Erfolg zu setzen, da ihre Entlohnung sehr stark den kurzfristigen Erfolg belohnt.
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P199
Viele Aktionär*innen sind nicht am langfristigen Erfolg des Unternehmens interessiert, da sie ihre Aktien nur wenige Monate halten und dann wieder verkaufen. Der klassische Investor, im Stile eines Warren Buffets, der Unternehmen und ihre Zukunftsaussichten fundamental analysiert und dann mit einer extrem langen Perspektive erwirbt, gehört inzwischen einer Minderheit an. Die meisten Händler*innen versuchen eher den Markt als die Perspektiven eines Unternehmens zu verstehen. Das extremste Beispiel sind Hochfrequenzhändler*innen, die Wertpapiere gar im Millisekundentakt drehen.
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P200
Wir wollen daher verschiedene Reformen in Gang bringen, um Nachhaltigkeit wieder stärker zu belohnen. Wir sprechen uns deutlich gegen Hochfrequenzhandel aus, der aus unserer Sicht keinerlei volkswirtschaftlichen Nutzen erzeugt. Dies ist einer der Gründe, weshalb wir eine umfassende Finanztransaktionssteuer fordern, die schnelles Drehen von Aktien weniger attraktiv macht und langfristiges Halten fördert. Solange die Finanztransaktionssteuer nicht in vollem Umfang eingeführt ist und den Hochfrequenzhandel ausbremsen kann, brauchen wir für dieses Ziel spezifische Maßnahmen wie zum Beispiel das Verbot von privilegiertem Zugang mancher Marktteilnehmer auf die Handelsplattformen.
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P201
Wir unterstützen die Initiative des Europaparlamentes einer Reform des Aktienrechtes, um Investor*innen zu privilegieren, die ihre Aktien länger halten. Ein Beispiel sind Stimmrechte, die Aktionär*innen erst bei einer Mindesthaltedauer ausüben können. Außerdem halten wir es für richtig, dass Gewinne erst dann an Aktionär*innen oder Mitarbeiter*innen ausgeschüttet werden können, wenn sie tatsächlich realisiert wurden. Mark-to-market Bewertungen dürfen daher nicht noch mehr Bedeutung in Unternehmensbilanzen bekommen. Wichtig ist auch eine Reform der Managerentlohnung. Wir brauchen gesetzliche Vorgaben, damit Anreizsysteme in allen Unternehmen so gestaltet werden, dass der größte Teil der variablen Vergütung wirklich langfristige Erfolge belohnt.
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Kapitalmarktunion
P202
Das große Finanzmarktprojekt in Europa derzeit heißt Kapitalmarktunion. Die Kommission hat die Losung ausgegeben, dass ein besserer Zugang der Unternehmen in Europa zum Kapitalmarkt viele Probleme lösen würde. Nach der Finanzkrise seien viele der Banken immer noch zu schwach aufgestellt, um vernünftig Kredite vergeben zu können. Aufgrund dieser Kreditklemme komme die Wirtschaft in den Krisenländern nicht wieder in Schwung. Die USA hätten diese Probleme nicht, da dort die Wirtschaft nicht so sehr von den Banken abhängig sei, sondern sich wesentlich stärker über Kapitalmärkte finanziere.
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P203
Diese Analyse ist in der Wissenschaft umstritten. Es gibt eine Unmenge an Untersuchungen, ob Kapitalmarktfinanzierung im Vergleich zu Bankenfinanzierung wachstumsfördernd oder im Krisenfall stabilisierend wirke.[25] Beide Finanzierungsformen haben Vor- und Nachteile. Sehr fragwürdig ist die Schlussfolgerung der Kommission, dass die USA aufgrund ihrer Kapitalmarktfinanzierung besser aus der Krise gekommen sei. Im Gegensatz zu Europa haben die USA nämlich ihre Banken zwangsrekapitalisiert, so dass diese viel schneller wieder in der Lage waren Kredite zu vergeben.
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