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Grüne Agenda Finanzmarktregulierung

Starting: 17 Dec Ending

0 days left (ends 15 Mar)

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Im folgenden Text haben wir unsere Sicht auf die wichtigsten Elemente für eine Grüne Agenda für krisenfeste, verbraucher- und investitionsfreundliche Finanzmärkte zusammengefasst. Sie beruhen auf unseren Erfahrungen in der Finanzmarktpolitik in Bundestag und Europaparlament sowie aus aktiver Tätigkeit im Finanzmarkt. Jetzt hoffen wir auf Ihr und Euer kritisch-konstruktives Feedback und Vorschläge für Änderungen, Streichungen und Ergänzungen. Wir freuen uns auf Kommentare und Bewertung bis zum 15. März 2016 Alle Kommentare werden wir bei der Erstellung der Endfassung berücksichtigen, die dann zu einem gemeinsamen Beschluss der Grünen wirtschafts- und finanzpolitischen Abgeordnetengruppen in Europaparlament und Bundestag führen soll.

Für Textänderungen bitte auf den Stift oben rechts bei jedem Paragraphen klicken!

Gerhard Schick, Sven Giegold, und Udo Philipp

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Status: Closed
Privacy: Public
Member of the European Parliament and the Committees for Economic/Financial and for Constitutional Affairs

CONTRIBUTORS (45)

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P34

Noch radikaler als ein Bürgergeld in Zeiten von Deflationsgefahr ist die Idee einer Geld­reform hin zu Vollgeld beziehungsweise 100% Mindestreserve­haltung für Banken. Die Verfechter*innen von Vollgeld wollen die Geldversorgung der Wirtschaft komplett auf Zentral­bankgeld um­stellen. Das Geld soll nicht mehr von den Banken aus dem Nichts geschöpft werden.

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P35

Viele Bürger*innen fühlen sich unwohl damit, dass die Zentralbanken in unserem Geld­system die Geldschöpfung an private Banken delegiert haben. Es ist richtig, dass private Banken den größten Teil der Geldschöpfung übernehmen. Im Gegensatz zu den too big to fail Subven­tionen handelt es sich hierbei allerdings nicht um ein Privileg, aufgrund des­sen sich Banken und ihre Manager bereichern. Durch die Konkurrenz im Banken­markt werden die Geldschöpfungsgewinne an die Kund*innen weitergegeben. Die hohen Boni werden im Investment­banking bezahlt und nicht im klassischen Kredit- und Einlagen­ge­schäft der Banken. Außerdem können Banken nicht beliebig Geld schöpfen. Zwar spielt die Min­dest­reserve in Deutsch­land keine Rolle mehr, dafür greifen aber Eigenkapi­tal­re­geln sowie harte betriebswirt­schaftliche Zwänge. Eine Bank kann nur dann Geld schöp­fen, wenn sie solvente Kreditnehmer*innen findet, die bereit sind, ihr auskömmliche Zinsen zu bezahlen und wenn sie selbst in der Lage ist, sich preiswert genug zu refinan­zieren.

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P36

Vollgeld wäre vielleicht weniger krisenanfällig, da Geld nicht mehr durch zusätzliche Verschuldung in die Welt kommen würde. Allerdings muss uns bewusst sein, dass die Finanzindustrie nicht auf den Kopf gefallen ist. Spätestens seit der Finanzkrise wissen wir, dass es Geldsubstitute ohne Ende gibt und die Finanzindustrie immer einen Weg finden wird, um außerhalb der regulierten Banken Kreditgeld in die Welt zu bringen.[5]

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P37

Auch sehen wir die zen­trale Rolle, die Zentralbanken im Vollgeldsystem bekämen, kritisch. Denn die Entschei­dung über ökono­misch notwenige Geldmenge würde komplett zentralisiert und die Machtkonzen­tration bei der EZB weiter verschärft. Wenn sich die Zentralbank irrt, kann es zu ökonomischen Verwerfungen kommen.

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P38

Wir sprechen uns trotz gewisser Vorteile des Vollgelds nicht dafür aus, derzeit diesen Reformweg zu beschreiten. Auch wäre ein Pfad vom heutigen Geldsystem zum Vollgeld nur als Bruch und nicht als Prozess schrittweiser Reformen denkbar. Eine Privatisierung des Geldes, wie sie teilweise gefordert wird, lehnen wir wegen der drohenden Instabilität ab.

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Eigenkapital statt Schulden

P39

Wir wollen nicht, so wie es die Vordenker der Geldreform im sogenannten Chicago Plan gefordert haben, jegliche klassische Form des Kredites verbieten und nur noch Eigenka­pitalfinanzierungen zulassen. Wenn es nur noch Eigenkapitalinstrumente gäbe, wäre es fraglich, ob dann wirklich ausreichend Mittel zur Finanzierung pro­duktiver Investitionen zur Verfügung stehen. Wir halten es zudem nicht für vertretbar, den Bürger*innen vor­zuschreiben, wie sie ihr Geld anzulegen haben.

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P40

Auch wenn wir also Vollgeld insgesamt für nicht zielführend halten, gibt es doch einige Ele­mente, die wir verfolgen wollen. Dazu gehört im Wesentlichen die Idee, dass schul­den­finanzierte Vermögenspreisblasen gefährlich sind, insbesondere wenn die Schulden so kurzfristig sind, dass sie Geldcharakter haben.

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P41

Daher wollen wir die Geldpolitik wie oben ausgeführt überdenken und daher schildern wir im Folgenden viele Ideen, wie wir Langfristigkeit und Eigenkapital fördern können.

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P42

Eine Finanzierung über Fremdkapital hat für Kreditgeber*innen den Vorteil, dass der Schul­dendienst, sprich Zinssatz und Tilgung, klar festgeschrieben ist. Genau dies macht Finan­zierung über klassische Schuldtitel so problematisch für Kreditnehmer*innen: sie müssen den Schuldendienst auch in schlechten Zeiten in voller Höhe leisten. Eine Finan­zierung über Eigenkapital ist nicht so gut kalkulierbar für die Kapitalgeber*innen. Die Bindung des Kapitaldienstes an die wirtschaftliche Lage ist im Gegenzug der große Vor­teil für diejenigen, die Kapital aufnehmen. Dies gilt auch für Staatsfinanzierung. Wenn der Schuldendienst nicht unab­hängig von der Wirtschaftsentwicklung zu leisten ist, kann es nicht so leicht zu Krisen wie jüngst in der Eurozone kommen. Eine Volkswirtschaft, die in ihrer Finan­zierung weniger auf klassische Schuldtitel sondern auf Finanzierungs­instrumente mit Eigen­ka­pitalcharakter setzt, ist deutlich stabiler und auch weniger ste­tigem Wachstumszwang ausgesetzt.

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P43

Deshalb unterstützen wir die Bestrebungen, für Staaten, Unternehmen und auch für die Immobilienfinanzierung Finanzierungsinstrumente einzuführen, bei denen der Schulden­dienst an die wirtschaftliche Entwicklung der Kreditnehmer*innen geknüpft ist.

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DIE BANKEN ROBUSTER MACHEN

Eigenkapital

P44

Banken sind existentiell gefährdet, wenn sie insolvent werden, also wenn sie so hohe Ver­luste machen, dass ihre Schulden ihr Vermögen übersteigen. Der wichtigste Schutz gegen Insolvenz ist Eigenkapital.

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P45

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass Eigenkapital kein unproduktives Geld ist, das vorge­halten und nicht investiert wird. Es handelt sich lediglich um eine konservative Form der Refinanzierung. Fremd­kapital muss getilgt werden und zusätzlich muss eine fest verein­barte Verzinsung geleistet werden. Eigenkapital hingegen wird dem Unternehmen bedin­gungslos zur Ver­fügung gestellt. Das Unternehmen muss keine Divi­denden zahlen, wenn es schlecht läuft, und es muss das Eigenkapital nie tilgen.

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P46

Jedes „normale“ Unternehmen setzt 25-30% Eigenkapital zur Finanzierung ein. Auch Banken waren in der Vergangenheit so finanziert. Die großen Investmentbanken waren traditionell sogar als Partner­schaften organisiert. Das heißt, jeder Partner haftete mit seinem gesamten Privatver­mögen, wenn es zu einer Krise kam. Typischerweise war der mit Abstand größte Teil des privaten Vermögens in der Bank gebunden und konnte erst zu Kasse gemacht werden, wenn der Partner in Rente ging. Aus heutiger Sicht klingt dies wie eine Praxis des 19. Jahrhunderts. Weit gefehlt. Die wahrscheinlich bekannteste Investmentbank weltweit, Goldman Sachs, hat erst 1999 bei ihren eigenen Börsengang die Partnerschaftsstruktur aufgegeben.

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P47

In den Jahren vor der Krise hatten Banken systematisch ihr Eigenkapital redu­ziert. Viele der gescheiterten großen Banken nutzten nur 1-2% Eigenkapital zur Finanzie­rung. Die deutsche HypoReal­Estate hatte gar nur 0,08% im Verlust haftendes Eigenka­pital.[6]

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P48

Die aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalregeln vor der Finanz­krise hatten zwei fundamen­tale Schwächen: Das gefor­der­te Eigenkapital bezog sich nicht auf die gesamte Bilanz sondern nur auf sogenannte Risi­ko gewichtete Aktiva. Um das Risikogewicht zu berech­nen durften die Banken ihre eigenen Risikomo­delle nutzen. Eine HypoRealEstate war so aus regulatorischer Sicht trotz homöopathi­scher Eigenkapitaldosis völlig ausreichend kapitalisiert, weil ihre Aktiva angeblich so wenig riskant waren. Das gleiche trifft auf Lehman und die anderen Pleitebanken zu.

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P49

Die neuen internationalen Regeln von Basel III, in Europa mit der CRD IV Verordnung in europäisches Recht umgesetzt, haben auf diese eklatanten Missstände reagiert und die Eigenkapitalanforderungen deutlich erhöht. In Bezug auf die Risiko gewichteten Aktiva wurde die Eigenkapitalanforderung mit 7% mehr als verdreifacht. Die nationalen bezie­hungs­weise europäischen Auf­sichtsbehörden können zusätzlich bis zu 2,5% antizyklische Puffer und bis zu 5% be­sondere Kapitalanforderungen für systemisch relevante Großbanken verfügen.

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P50

Außerdem führten die Regulierer eine sogenannte leverage ratio ein, sprich eine klare Schuldenbremse. Das Eigenkapital soll auch in Bezug auf die gesamte Bilanz eine Mini­mumquote von 3% nicht unterschreiten. Die leverage ratio ist allerdings noch nicht bindend. Sie soll auch nur als sogenannter backstop dienen. Die Hauptsteuerungsgröße für die Aufsichtsbehörden soll die risikogewichtete Quote bleiben. Die Baseler Regulie­rungs­­be­hörde hat auch dem Druck der Banken nachgegeben und erlaubt selbst für die leverage ratio ge­wisse Risiken auszublenden. Banken dürfen Derivate weit­gehend gegeneinander auf­rech­nen und Risiken in Zweckgesellschaften ausgliedern. Ausgerech­net in Zweckge­sellschaf­ten, den Sondermülldeponien für hoch giftige Wertpa­piere, die während der Finanzkrise eine der Hauptursachen für die vielen Bankenpleiten waren.

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