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Discuto
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Im folgenden Text haben wir unsere Sicht auf die wichtigsten Elemente für eine Grüne Agenda für krisenfeste, verbraucher- und investitionsfreundliche Finanzmärkte zusammengefasst. Sie beruhen auf unseren Erfahrungen in der Finanzmarktpolitik in Bundestag und Europaparlament sowie aus aktiver Tätigkeit im Finanzmarkt. Jetzt hoffen wir auf Ihr und Euer kritisch-konstruktives Feedback und Vorschläge für Änderungen, Streichungen und Ergänzungen. Wir freuen uns auf Kommentare und Bewertung bis zum 15. März 2016 Alle Kommentare werden wir bei der Erstellung der Endfassung berücksichtigen, die dann zu einem gemeinsamen Beschluss der Grünen wirtschafts- und finanzpolitischen Abgeordnetengruppen in Europaparlament und Bundestag führen soll.
Für Textänderungen bitte auf den Stift oben rechts bei jedem Paragraphen klicken!
Gerhard Schick, Sven Giegold, und Udo Philipp
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P70
Momentan arbeiten die Regulierungsbehörden noch an einer weiteren Kennziffer zur Liquidität, der net stable funding ratio. Diese soll die Banken dazu bringen, auch über die Monatsfrist der LCR stärker auf Fristenkongruenz zu achten. Die Problematik bleibt jedoch dieselbe.
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P71
Wir halten die neu eingeführten Liquiditätsquoten aufgrund ihrer schwierigen Modellannahmen und aufgrund ihrer regulatorischen Inflexibilität für das falsche Instrument. Wir wollen stattdessen am Grundübel, sprich der zu preiswerten kurzfristigen Interbankenfinanzierung ansetzen. Deren Preise reflektieren nicht die hohen gesellschaftlichen Risiken. Besonders problematisch ist die besicherte kurzfristige Refinanzierung (sogenannte Repo-Kredite), weil hier die Kreditgeber im Grunde vollständig auf eine Risikoprüfung der Bank verzichten und weil diese besicherten Kredite dazu führen, dass das Risiko für die unbesicherten Kreditgeber deutlich steigt. In der Finanzkrise waren die Repo-Kredite besonders volatil und damit eine der Hauptursachen für die Liquiditätskrise.
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P72
Wir wollen diese negativen externen Effekte internalisieren. Wir sehen die kurzfristige Refinanzierung wie eine Form von Umweltverschmutzung. So wie CO2 eine wesentliche Ursache für den Klimawandel darstellt, sind die kurzfristigen Interbankenkredite eine wesentliche Ursache für die Instabilität auf den Finanzmärkten. Wenn der Preis für CO2 nicht die gesellschaftlichen Kosten beinhaltet, wird zu viel davon genutzt. Das gleiche gilt für kurzfristige Interbankenkredite.
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P73
Banken müssen nicht den größten Teil ihrer Bilanz mit täglich fälligen Interbankenkrediten finanzieren. Sie können Eigenkapital, langfristige Darlehen oder stabile Kundeneinlagen zur Finanzierung nutzen. Typische kleine Banken, finanzieren sich genau so. Das ist auch einer der Gründe, weshalb sie so gut durch die Krise gekommen sind. Banken nutzen die kurzfristige Refinanzierung, weil sie zu billig ist.
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P74
Damit die Preise die gesellschaftlichen Risiken widerspiegeln, wollen wir zunächst die Bankenabgabe für den Restrukturierungsfonds besser ausgestalten. Derzeit gibt es zwar einen Risikoaufschlag bei der Berechnung der Abgabe. Dieser ist jedoch zu komplex und in seiner Wirkung schwer nachvollziehbar. Wir wollen statt dessen kurzfristige und insbesondere besicherte Refinanzierung im Interbanken- und Kapitalmarkt so hoch gewichten, dass Banken einen klaren finanziellen Anreiz haben, sich längerfristig zu refinanzieren.
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KEINE AUSNAHMEN FÜR SCHATTENBANKEN
P75
Schattenbank ist ein wunderbarer Begriff für Pseudoregulierer wie die derzeitige Bundesregierung. Niemand weiß so recht, wer mit diesen Instituten gemeint ist. Man vermutet zwielichtige Finanzinstitute auf den Cayman Islands oder anderen dubiosen Steueroasen. So kann man sonntags wunderbar über Schattenbanken lästern. Man tritt schließlich niemandem auf die Füße damit.
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P76
Leider führt der Begriff völlig in die Irre. Viele dieser Finanzinstitute operieren im vollen Tageslicht. Sie sind in Deutschland oder anderen Ländern der EU beheimatet. Sie betreiben völlig legale Geschäfte, die im Grunde Bankgeschäfte sind, nur anders benannt und deshalb anders reguliert werden. Es handelt sich zum Beispiel um hoch angesehene Finanzinstitute wie die Allianz und andere Versicherungsgesellschaften oder die DWS und andere Fondsgesellschaften. Niemand traut sich, sie als Schattenbanken zu bezeichnen, weil der Begriff so negativ belegt ist.
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P77
Auch wir wollen nicht die Allianz als Schattenbank verunglimpfen. Wir wollen aber die Regulierung nicht mehr nach der offiziellen Bezeichnung eines Finanzinstitutes ausrichten, sondern nach dessen Tätigkeit. Wenn ein Finanzinstitut kurzfristig kündbare Gelder von Anlegern einsammelt, einen festen Wert garantiert, und diese Gelder langfristig anlegt, muss diese Geschäftstätigkeit nach den gleichen Regeln wie eine Bank operieren.
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P78
Lebensversicherer betreiben Bankgeschäft, wenn sie ihren Kunden ermöglichen, ihre Einlagen jederzeit abzuziehen und ihnen dafür einen festen Rückkaufswert garantieren. Sie betreiben auch Bankgeschäft, wenn sie immer mehr Kredite ausreichen. Manche Geldmarktfonds garantieren feste Rückkaufswerte und extrem kurzfristige Verfügbarkeit der Gelder. Diese Geschäfte sind keineswegs zwielichtig und deshalb führt der Begriff Schattenbank so in die Irre. Geldmarktfonds und Lebensversicherer sollen ihre Geschäfte weiter betreiben. Aber solange sie kurzfristige Kündbarkeit und feste Rückkaufswerte garantieren, müssen sie sich denselben Regeln wie Banken unterwerfen. Sonst gibt es keinen fairen Wettbewerb zwischen reguliertem und nicht reguliertem Bankgeschäft. Die Risiken der Finanzindustrie wandern dann von den regulierten Instituten in die nicht regulierten. Der nächste staatliche bail-out wird dann möglicherweise nicht bei Banken, sondern bei den Lebensversicherern oder Fondsgesellschaften stattfinden.
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P79
Die Regulierung von Geldmarktfonds ist ein gutes Beispiel, wie derzeit völlig unnötig Bürokratie und Komplexität produziert wird. Es besteht Konsens in der Wirtschaftswissenschaft und bei den großen internationalen Regulierungsbehörden, dass Geldmarktfonds keine festen Rückkaufswerte garantieren sollten. Wir sind ebenfalls dieser Meinung. Wer einen festen Rückkaufswert benötigt, muss sein Geld mit etwas geringeren Zinsen auf die Bank legen und nicht in einen Fonds. Die Regulierung von Geldmarktfonds ist also sehr einfach: Fonds mit festen Rückkaufswerten sind untersagt. Die jetzige Regulierung hat aber lieber auf die Fondslobby anstatt auf ihre eigenen Thinktanks wie ESRB oder Financial Stability Board gehört. Herausgekommen sind wieder Dutzende von Seiten komplizierteste Gesetzestexte. Sie erlauben den Fonds weiterhin den festen Rückkaufswert aber machen ihnen unzählige andere bürokratische Auflagen, die nur Bürokratie erzeugen aber das eigentliche Problem nicht lösen.
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P80
Auch Wertpapierfonds können Schattenbankcharakter haben. Dies ist insbesondere bei Fonds der Fall, die wenig liquide Vermögensgegenstände investieren und ihren Anleger*innen kurzfristige Kündigungsrechte versprechen. Die Einführung einer einjährigen Kündigungsfrist für offene Immobilienfonds in Deutschland war richtig und sollte konsequent auf alle Anlageformen mit wenig liquiden Vermögensgegenständen angewandt werden. In den letzten Jahren haben große Fonds enorme Marktanteile gewonnen. Der größte Fonds Blackrock mit seinen über 4 Billionen Euro verwaltetem Vermögen ist inzwischen etwa doppelt so groß wie die größte Bank der Welt. Ein Fonds kann zwar nicht wie eine Bank pleite gehen. Dennoch können auch Fonds zum Beispiel aufgrund dem Verlust von Schlüsselpersonen[11] oder anderen Reputationsproblemen plötzlich hohe Mittelabflüsse verzeichnen, die aufgrund der Größe des Fonds oder aufgrund der Investitionsstrategie in wenig liquide Aktiva, ganze Märkte erschüttern können. Es ist höchst plausibel, dass von diesen großen Fonds inzwischen systemisches Gefahren ausgehen. Wir begrüßen daher die Initiative des Financial Stability Boards, Wertpapierfonds genauer unter die Lupe zu nehmen und sprechen uns dafür aus, auch für Fonds restriktive Kriterien für die Beurteilung marktbeherrschender Stellung anzuwenden und zu große Fonds notfalls zu entflechten.
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P81
Pensionsgeschäfte (Repos) sind die wichtigsten Instrumente, mit denen sich Finanzinstitute liquide halten. Sie nutzen so eine extrem kurzfristige Refinanzierung, um damit langfristig zu investieren. Dabei werden zur Sicherheit hinterlegte Wertpapiere mitunter um ein vielfaches weiterverpfändet, es entstehen sog. Repo-Ketten. Ein plötzlicher Run auf diesen Repo-Markt und damit ein abruptes Ende der Liquidität war einer der Hauptauslöser der Finanzkrise. Durch die Weiterverleihung der Sicherheiten war der Verbleib der Papiere oft unklar. Es kam zu Panikverkäufen und dramatischem Preisverfall von Vermögenswerten. Die mangelnde Transparenz des Marktes war ausschlaggebend für diese Herdenreaktionen – bis heute fehlen der Aufsicht der Überblick und ein angemessenes Frühwarnsystem. Wir wollen daher, dass Wertpapiere grundsätzlich nur einmal verpfändet werden dürfen, um die problematischen Repo-Ketten zu durchbrechen. Außerdem soll bei einem Repo-Geschäft beziehungsweise bei einer Verpfändung eines Wertpapiers immer ein angemessener Sicherheitsabschlag (haircut) angewandt werden.
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P82
Und bei aller ehrlichen Liebe für junge kreative neue Finanzdienstleister: auch crowd-funding muss gewisse Regeln beachten. Solange diese Finanzierungen keine Fristentransformation betreiben, wollen wir sie nicht als Bank regulieren. Aber wie bei allen Vermittler*innen von Finanzanlagen darf es auch hier in der Anreizstruktur keine strukturellen Interessenskonflikte geben. Heute finanzieren sich die Plattformen über eine Erfolgsgebühr für das Vermitteln der Kredite. Genau so wurden auch die Kreditvermittler*innen der amerikanischen Schrottanleihen bezahlt, die die Finanzkrise ausgelöst hatten. Der Anreiz, schlechte Kredite zu vermitteln, ist dann einfach zu hoch. Daher wollen wir die Gebührenstruktur der crowd-funding Plattformen wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Die Plattformen müssen von den Anleger*innen dafür bezahlt werden, dass sie eine gute Kreditselektion betreiben. Mit der letzten Tilgungsrate eines Kredites sollen die Plattformen ein Erfolgshonorar bekommen. Sobald die Plattformen eine kritische Größe erreicht haben, müssen sie auch eigenes Kapital einsetzen. Sie sollen mit ins Risiko gehen und von jedem vermittelten Kredit einen kleinen Teil in ihren Büchern behalten.
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ANREIZSYSTEM WEITER REFORMIEREN
Vergütungssysteme
P83
Seit der Deregulierungswelle in den 1980er Jahren haben sich nicht nur die Bilanzen der Banken aufgebläht, sondern auch die Gehälter ihrer Mitarbeiter*innen. Im Vergleich zu anderen Industrien sind die Gehälter in Banken etwa doppelt so schnell gestiegen.[12] Die Höhe der Gehälter führt dazu, dass besonders viele talentierte Absolvent*innen[13] prestigereicher Universitäten bei Investmentbanken mit komplexen Finanzinnovationen handeln anstatt in anderen Wirtschaftssektoren Produkte oder Dienstleistungen mit klarem Kundennutzen zu entwickeln. Die Struktur der Gehälter mit ungedeckelten Boni führt zu einem besonders risikoaffinen und oft sogar kriminellen Verhalten. Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie[14] konnte nachweisen, dass die Kultur in Banken unehrliches Verhalten fördert. Verständlich, wenn man als einzelner Händler einen Jahresbonus von über 80 Millionen Euro verdienen kann.[15]
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P84
Einer der größten Erfolge der Grünen im Europaparlament war es daher, die Vergütungssysteme in Banken zu reformieren und die Boni auf das zweifache des jährlichen Festgehaltes zu begrenzen. Damit wird zwar noch nicht das Problem gelöst, dass Banken aufgrund ihrer übertriebenen Gehälter weiterhin die besten Absolvent*innen anziehen können. Aber wenigstens wird man durch übertriebenes Risiko oder gar kriminelles Verhalten nicht mehr ganz so leicht zum Multimillionär.
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P85
Wir wollen die Haftung der Manager aller komplexer Finanzinstitute, sprich nicht nur von Banken, noch weiter erhöhen. Wir wollen die Manager wieder dazu zu bringen, den langfristigen Erfolg im Auge zu haben und nicht den kurzfristigen Aktienkurs und den Wert ihrer Aktienoptionen. Daher soll die Entlohnung über 500.000 Euro pro Jahr pro Manager nicht mehr steuerlich absetzbar sein und grundsätzlich für zehn Jahre aufgeschoben werden. Wenn das Finanzinstitut in diesem Zeitraum in eine Krise kommen sollte, und das Eigenkapital unter die regulatorischen Mindestanforderungen fallen sollte, verfallen diese aufgeschobenen Vergütungsansprüche.
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