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Discuto
0 days left (ends 15 Mar)
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Im folgenden Text haben wir unsere Sicht auf die wichtigsten Elemente für eine Grüne Agenda für krisenfeste, verbraucher- und investitionsfreundliche Finanzmärkte zusammengefasst. Sie beruhen auf unseren Erfahrungen in der Finanzmarktpolitik in Bundestag und Europaparlament sowie aus aktiver Tätigkeit im Finanzmarkt. Jetzt hoffen wir auf Ihr und Euer kritisch-konstruktives Feedback und Vorschläge für Änderungen, Streichungen und Ergänzungen. Wir freuen uns auf Kommentare und Bewertung bis zum 15. März 2016 Alle Kommentare werden wir bei der Erstellung der Endfassung berücksichtigen, die dann zu einem gemeinsamen Beschluss der Grünen wirtschafts- und finanzpolitischen Abgeordnetengruppen in Europaparlament und Bundestag führen soll.
Für Textänderungen bitte auf den Stift oben rechts bei jedem Paragraphen klicken!
Gerhard Schick, Sven Giegold, und Udo Philipp
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P104
Damit diese Art der Bilanzierung funktioniert, brauchen wir starke und wirklich unabhängige Wirtschaftsprüfer und die Prüfer müssen allen Stakeholder verpflichtet sein. Situationen, in denen ein Prüfer einem Unternehmen ein gutes Zeugnis ausstellt und dieses wenige Monate später Konkurs anmeldet, obwohl sich die externen Rahmenbedingungen nicht dramatisch verändert haben, dürfen nicht mehr so oft vorkommen. Außerdem sollen die Prüfer auch eine Verantwortung dem Finanzamt gegenüber haben. Es ist nicht zu vertreten, dass ein Wirtschaftsprüfer die Zahlen eines Unternehmens testiert und die Steuerprüfung im Anschluss massive Abweichungen findet. Wir wollen daher die Haftungsregeln der Wirtschaftsprüfer sowohl gegenüber der Finanzaufsicht wie gegenüber dem Finanzamt deutlich verschärfen.
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P105
Wir brauchen viel mehr Konkurrenz unter den Prüfern. Ein globales Oligopol von nur vier Gesellschaften führt im Bereich der Großunternehmen dazu, dass die Prüfer zu abhängig von ihren Kunden werden. Der Markt für Wirtschaftsprüfung großer Gesellschaften ist extrem konzentriert. Daraus entsteht zum einen eine große politische Macht der vier marktbeherrschenden Wirtschaftsprüfer, zum anderen sind häufig dieselben Prüfer zu lange in den einzelnen Unternehmen und haben nicht mehr die nötige kritische Distanz. Vor allem aber verschwimmt über die Vermischung von Beratung und Prüfung die Rolle. Als Berater suchen die Wirtschaftsprüfergesellschaften gemeinsam mit den Unternehmen Möglichkeiten der Gewinnsteigerung und der optimalen Präsentation des Unternehmens für Investoren, als Wirtschaftsprüfer müssen sie Auswüchse des Gewinnstrebens verhindern und im öffentlichen Interesse eine korrekte Darlegung der Unternehmenssituation sicherstellen. Wir wollen daher den Wettbewerb unter Prüfern stärker fördern, indem die Großunternehmen verpflichtet werden, regelmäßig ihre Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu wechseln und die neuen Prüfer während einer angemessenen Zeit keinerlei geschäftliche Beziehungen mit dem zu prüfenden Unternehmen gehabt haben dürfen. Die Trennung von Prüfung und Beratung, die als europäische Richtlinie ansatzweise bereits vorgeschrieben wurde, wollen wir in Deutschland wesentlich konsequenter und nicht nur für Unternehmen öffentlichen Interesses einführen.
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P106
Auch wollen wir dafür sorgen, dass in Zukunft die Buchhaltungsregeln demokratischer erlassen werden. Derzeit werden die internationalen Regeln von einer privaten Organisation - dem International Accounting Standards Board - festgesetzt. Obwohl Bilanzierungsregeln viele gesellschaftliche Gruppen betreffen, sitzen in den Gremien des IASB praktisch nur Vertreter aus den vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Großunternehmen. Andere Gruppen sind nicht vertreten. Rechenschaftspflichtig sind diese Entscheidungsträger nur sich selbst. Auch die Vertreter aus Europa werden nicht demokratisch legitimiert. Sie müssen sich keinem Parlament verantworten. Lediglich bei der Aufsicht über den IASB und beim Beschluss der bereits ausgearbeiteten Standards haben demokratisch legitimierte Akteure einen maßgeblichen Einfluss. Der IASB ist damit ein besonders extremes Beispiel von Postdemokratie in internationalen Finanzinstitutionen. Die Globalisierung darf jedoch nicht den Abschied von der Demokratie befördern, sondern muss die Demokratie selbst globalisieren.
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P107
Daher wollen wir die Zusammensetzung der Expertengruppe verändern, so dass Experten aus kleinen und mittleren Unternehmen, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft angemessen repräsentiert sind. Die europäischen Vertreter im IASB müssen durch das Europaparlament gewählt werden. Wenn diese Veränderungen nicht durchsetzbar sind, unterstützen wir die Entwicklung eigener europäischer Buchhaltungsstandards.
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P108
Auch wenn wir die Vergleichbarkeit der Unternehmensbilanzen innerhalb von Europa grundsätzlich für wichtig halten, lehnen wir dennoch die Einführung von IFRS für kleine und mittlere Unternehmen ab, solange wie der IASB nicht in unserem Sinne demokratisch reformiert ist.
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FINANZREGULIERUNG DEMOKRATISIEREN
P109
Regulierung muss demokratisch kontrollierbar werden. Heute ist die Regulierung viel zu technisch und komplex, um dies zu ermöglichen. Dies ist auch ein wichtiger Grund, um Regulierung stark zu vereinfachen. Banken und Versicherungen sind auch nicht komplizierter als andere Unternehmen. Der Popanz um ihre angebliche Komplexität ist ein von der Finanzlobby bewusst instrumentalisierter Kult, damit Finanzmarktregulierung zwischen Finanzlobby und Finanzaufsicht im Hinterzimmer ausgekungelt werden kann.
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P110
Wenn neue Finanzmarktgesetze eingeführt werden, behauptet die Bundesregierung regelmäßig, ihre Gesetzesvorlagen seien alternativlos. Sie legt grundsätzlich keine datengestützte Situationsanalyse vor und vergleicht nicht verschiedene Handlungsalternativen. Ohne Zugang zu den Industriedaten sind seriöse Alternativen jedoch nicht zu erarbeiten. Bei der Beratung zu den Gesetzen treten im Finanzausschuss fast nur Lobbyisten oder von Banken oder Versicherungen finanziell abhängige Berater auf. Es gibt viel zu wenige unabhängige Expert*innen.
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P111
Wir wollen daher unabhängige Expertise fördern. Analog zu der von den europäischen Grünen initiierten Finance Watch Organisation, die wesentlich von der EU Kommission finanziert wird, braucht es auch in Deutschland öffentliche Unterstützung für unabhängige Finanzmarktexpertise, sowohl in der Wissenschaft (zum Beispiel durch ein Institut, das die aufsichtlichen Daten wissenschaftlich aufbereitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt) als auch in der Zivilgesellschaft. Das Ziel ist mehr Transparenz über den Zustand der Finanzindustrie und der Regulierung. In Zukunft sollen Finanzmarktgesetze grundsätzlich erst nach einer öffentlich transparenten und datengestützten Situationsanalyse verabschiedet werden.
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P112
Ein weiteres großes Problem für die Demokratie in der Finanzmarktgesetzgebung ist , dass die Parlamente regelmäßig vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Alle wichtigen Regeln werden in internationalen Organisationen verhandelt und detailliert festgelegt. Das Europaparlament kann im Grunde nur die Regeln so umsetzen, wie sie international verhandelt wurden oder sich zum kompletten Außenseiter machen. Während die Bankenregulierung in Basel wenigstens von Vertreter*innen der Zentralbanken und Regulierungsbehörden verhandelt wird, werden die fast genauso wichtigen internationalen Buchhaltungsstandards von einer komplett privaten Organisation festgesetzt. In beiden Fällen ist es aber so, dass das Europaparlament nicht frühzeitig informiert wird und keine Möglichkeit hat, auf das Verhandlungsmandat einzuwirken. Wir wollen daher den Prozess der internationalen Regelsetzung demokratisieren. In den wichtigen Finanzgremien soll die EU verstärkt mit einer Stimme sprechen. Und die Verhandlungsführer müssen frühzeitig das Europaparlament informieren und sich ihr Mandat demokratisch legitimieren lassen. Die Sitzungsprotokolle der internationalen Regulierungsgremien sollen öffentlich gemacht werden.
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P113
An anderer Stelle haben wir dargelegt, wie wir Lobbyismus auch in anderen Bereichen transparent machen und in Schranken verweisen wollen.
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DEN STAAT AUF AUGENHÖHE BRINGEN
P114
Die erhöhte Transparenz über den Zustand der Finanzindustrie und der Regulierung soll auch dazu führen, dass Finanzministerium und Bankenaufsicht ihr Selbstverständnis überdenken. Die Regierung und ihre Aufsichtsbehörden haben oft die Neigung, große Unternehmen besonders zu fördern, weil viele Arbeitsplätze von ihnen abhängen und weil man „den Standort Deutschland“ fördern möchte. Ähnlich wie in der Automobilindustrie wurden sogenannte national champions auch in der Finanzwirtschaft besonders gepflegt. Wenn man aber unbedingt „seine Banken“ vor der „bösen“ Konkurrenz aus London oder New York schützen möchte, schaut man im Zweifel nicht so genau hin. Ein klares Beispiel für Machtwirtschaft. Dieses Problem war einer der Gründe für die gemeinsame Bankenaufsicht in Europa.
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P115
Zu diesem Faible für die national champions kommt eine besonders juristische Herangehensweise an die Aufsicht. Die sogenannte erste Säule der Regulierung besteht aus klaren Vorschriften wie zum Beispiel einer festgeschriebenen Eigenkapitalquote. Die Aufsicht kann hier einfach ihre Checklisten abhaken. Das Problem mit solch einer Vorgehensweise ist, dass sich die Welt immer wieder ändert. Banken sind besonders kreativ darin, die Regeln zwar formal einzuhalten aber inhaltlich zu umgehen. Deswegen hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht auch eine zweite Säule der Regulierung vorgesehen. Die Bankenaufsicht soll sich von den festen Quoten und Checklisten lösen und stattdessen das Gesamtrisiko einer Bank identifizieren und würdigen.
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P116
Die BaFin hat die aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten aus der zweiten Säule aber nicht genutzt. So hat sie zum Beispiel festgestellt, dass Banken ihre Risiken in sogenannte Zweckgesellschaften auslagern, die sie formal nicht in ihren Büchern konsolidieren mussten, denen sie aber Liquiditätszusagen gegeben hatten. Jeder Buchhalter Lehrling konnte sehen, dass die Risiken wirtschaftlich gesehen bei der Bank verblieben waren. Dieser Vorgang passte aber nicht in die juristischen Checklisten der BaFin. Sie hat daher allen Pleitebanken vor der Krise ein gutes Zeugnis ausgestellt, weil sie formal die Regeln einhielten, anstatt sich zu überlegen, ob die Regeln nur formal aber nicht wirtschaftlich eingehalten waren. Die BaFin fand auch nicht bemerkenswert, dass die HypoRealEstate kurz im Jahr vor ihrer Pleite nur 0,08% Eigenkapital bezogen auf die komplette Bilanzsumme hatte (leverage ratio). Auf den Checklisten stand nur die Eigenkapitalquote nach risikogewichteten Aktiva und die war in Ordnung. So hat sie der HRE mitten in der Finanzkrise noch genehmigt, eine hohe Dividende an ihre Aktionäre auszubezahlen, obwohl die Bank mit dem Rücken zur Wand stand.
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P117
Diese Einstellung hat sich immer noch nicht wirklich geändert. Die Bundesbank führt immer wieder Analysen und Szenarienrechnungen in den verschiedenen Bereichen der Finanzwirtschaft durch. Dabei geht es zum Beispiel um das Risiko eines plötzlichen gravierenden Zinsanstieges oder die Auswirkungen der Niedrigzinsphase auf die Bausparkassen und Lebensversicherer. Immer wieder weist die Bundesbank auf existenzbedrohliche Risiken hin. Besonders gravierend ist die Situation für die Lebensversicherungsbranche. Gemäß Bundesbank werden etwa 80% der Unternehmen insolvent, wenn die Niedrigzinsphase anhält und die Unternehmen ihre Gewinne nicht einbehalten, um ihre Kapitalbasis zu stärken. Was macht die BaFin? Sie stellt fest, dass die Unternehmen heute noch solvent sind und erlaubt ihnen weiterhin ihre Gewinne auszuschütten.
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P118
Auch bei kriminellen Aktivitäten in den Banken oder durch die Banken schaut die BaFin viel zu lange weg. So blieb sie über Jahre untätig, obwohl bekannt war, dass Banken und durch sei vermittelt auch private Investor*innen mit den Cum-Ex-Geschäften den Fiskus um geschätzte 12 Milliarden Euro betrogen. Auch wenn Banken ihre Kund*innen in Steueroasen locken, schaut der Staat regelmäßig weg.
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P119
Wenn es darum geht, aus Fehlern zu lernen und im Parlament aufzuarbeiten, wie man solche Probleme in Zukunft verhindert, stellt sich die Regierung regelmäßig stur. Deutsche Regierungsbeamt*innen oder Politiker*innen machen schließlich keine Fehler. Wenn hier eine Bank pleite geht, liegt dies ausschließlich an den USA, ihren Giftpapieren und ihrer Fehlentscheidung Lehman Brothers in den Konkurs zu schicken.
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P120
Wir wollen in Zukunft die Einstellung der Behörden grundsätzlich ändern. Überall passieren Fehler. Das ist kein Grund für einen Skandal. Skandalös ist nur, wenn man Fehler nicht zugibt und sich weigert aus ihnen zu lernen. Wir wollen daher die Ursachen der Fehler in der Bankenaufsicht und im Finanzministerium systematisch aufarbeiten, um diese in Zukunft zu vermeiden.
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P121
Wir wollen vor allem die BaFin dazu bringen, in Zukunft nicht mehr rein formalistisch die Gegenwart zu betrachten, sondern bei erkennbaren Risiken in der Zukunft rechtzeitig auf die Bremse zu treten, selbst wenn dies bedeutet, dass die schwächsten Unternehmen dann scheitern. Eine Einstellung wie zum Beispiel, „den Bausparkassen geht es schlecht, deswegen ist es alternativlos, ihnen zu gestatten größere Risiken einzugehen“[17], halten wir für sträflich. In der Wirtschaftswissenschaft nennt man das gambling for resurrection. Heute hätten die Bausparkassen noch ausreichende Kapitalreserven, um im Konkursfall ihre Bausparer*innen auszubezahlen. Wenn sie jetzt größere Risiken eingehen, kann es zwar sein, dass sie damit ausreichend viel Geld verdienen. Ebenso möglich ist es aber, dass sie mit den Risiken vor die Wand fahren. Dann aber haben sie ihr verbleibendes Kapital verspielt und der Staat muss für die Bausparer*innen aufkommen.
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