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Discuto
0 days left (ends 15 Mar)
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Im folgenden Text haben wir unsere Sicht auf die wichtigsten Elemente für eine Grüne Agenda für krisenfeste, verbraucher- und investitionsfreundliche Finanzmärkte zusammengefasst. Sie beruhen auf unseren Erfahrungen in der Finanzmarktpolitik in Bundestag und Europaparlament sowie aus aktiver Tätigkeit im Finanzmarkt. Jetzt hoffen wir auf Ihr und Euer kritisch-konstruktives Feedback und Vorschläge für Änderungen, Streichungen und Ergänzungen. Wir freuen uns auf Kommentare und Bewertung bis zum 15. März 2016 Alle Kommentare werden wir bei der Erstellung der Endfassung berücksichtigen, die dann zu einem gemeinsamen Beschluss der Grünen wirtschafts- und finanzpolitischen Abgeordnetengruppen in Europaparlament und Bundestag führen soll.
Für Textänderungen bitte auf den Stift oben rechts bei jedem Paragraphen klicken!
Gerhard Schick, Sven Giegold, und Udo Philipp
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TOO BIG TO FAIL SUBVENTIONEN BEENDEN
P139
In keinem anderen Wirtschaftssektor ist in den letzten Jahren so deutlich geworden, was es bedeutet, wenn man Unternehmen nicht einfach pleite gehen lassen kann. Too big to fail ist das Schlagwort seit der Finanzkrise. Als die USA Lehman in den Konkurs schickten, gingen Schockwellen um den Globus. Für die verantwortlichen Personen in der Bundesregierung war dies die „größte wirtschaftspolitische Fehlentscheidung des 21. Jahrhunderts“[20]. Für alle Verantwortlichen erschien es damals völlig normal, dass der Staat die Banken retten musste.
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P140
Diese vermeintliche Alternativlosigkeit führte zu unvorstellbar hohen Kosten: Allein in Deutschland mussten die Steuerzahler*innen Banken mit der astronomischen Summe von insgesamt 392 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch retten. Ein Teil dieser Mittel konnte zwar abgelöst werden. Doch auch im Jahr 2015 beträgt die Auswirkung der Bankenrettung auf den Schuldenstand Deutschlands immer noch fast 9% des BIPs.[21]
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P141
Im Grunde noch schlimmer sind jedoch die sich aus dem too big to fail Status ergebenden laufenden Wettbewerbsvorteile: Große Banken können sich zu deutlich subventionierten Konditionen verschulden. Weil die Geldgeber*innen wissen, dass diese Banken nicht in Konkurs gehen können, sind Anleihen großer Banken so sicher wie Staatsanleihen. Jedes Jahr fließen auf diese Weise implizite Subventionen von über 200 Milliarden Euro an Europas Großbanken. Dank dieser extrem günstigen Refinanzierungskonditionen können diese Banken ein wesentlich größeres Rad drehen.
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P142
Kleine Banken, die nicht in den Genuss dieser Subventionen kommen, haben einen massiven Wettbewerbsnachteil. Kein Wunder, dass die Großbanken so hohe Erträge erwirtschaften, dass sie ihre Mitarbeiter*innen mit fürstlichen Gehältern und exorbitanten Boni entlohnen können.
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Radikales Bail-In der Gläubiger
P143
Der größte Skandal während der Bankenrettung war, dass die Bundesregierung, so wie manche andere Staaten, auch die Bankaktionäre und -gläubiger rettete und so die Marktwirtschaft komplett aushebelte: Vor der Krise durften die Aktionäre mit einer hochriskanten Geschäftspolitik eine Verzinsung von 25% auf ihr eingesetztes Kapital einstreichen und in der Krise haben sie noch nicht einmal ihr Kapital verloren.
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P144
Die neue europäische Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD) ist hier ein großer Fortschritt. Sie erleichtert die Bankenrestrukturierung und schreibt den Regierungen vor, dass in Zukunft zunächst die Aktionär*innen und ein Teil der Gläubiger*innen haften müssen, bevor der Staat die Bank auffangen darf. Die BRRD erlaubt den Staaten jedoch, die Banken in bestimmten Ausnahmefällen vor der Abwicklung noch mit Steuergeldern aufzupäppeln. Außerdem fordert sie lediglich eine Mindesthaftung von 8% der Bilanz[22] und nimmt zudem kurzfristige Interbankengläubiger explizit von der Haftung aus. Ausgerechnet diejenigen Gläubiger*innen, die den Banken schon vor der Krise blind und billigst Geld zur Verfügung gestellt haben und ihnen ermöglicht hatten, das hoch riskante Handelsgeschäft zu finanzieren, müssen sich also immer noch keine Sorgen machen.
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P145
Wir wollen daher die Mindesthaftung von 8% erhöhen. In einer Krise muss zunächst das vollständige Fremdkapital in Eigenkapital gewandelt werden, bevor ein bail-out durch Steuergelder erlaubt ist. Ausgenommen werden dürfen nur die staatlich geschützten Einlagen. Wir wollen allerdings zusätzlich zu den Einlagen von Privatkunden, die bis zu 100.000 Euro geschützt sind, noch die Betriebsmittel von Unternehmen schützen. Unternehmen müssen die Möglichkeit haben, ihre laufenden Zahlungsverpflichtungen, wie zum Beispiel die Gehaltszahlungen eines Monats, einer Bank anzuvertrauen, ohne sich über eine potentielle Pleite der Bank Sorgen zu müssen.
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Keine trojanischen Pferde – no creditor worse off reformieren
P146
Die Finanzmarktlobby konnte mit dem sogenannten no creditor worse off Prinzip ein Trojanisches Pferd in das Gesetz platzieren. Ein Gutachter muss sich überlegen, was die Vermögensgegenstände der Bank wert sind. Dies ist nicht möglich, ohne sich auf die Modelle der Bank zu stützen. Noch schwieriger ist es, einen fiktiven Konkurswert zu bestimmen. Viele Vermögenswerte einer Bank können sich im Chaos eines Konkurses in Luft auflösen. Genauso ist aber auch das Gegenteil möglich. Unternehmen haben jede Menge Tafelsilber, dessen Marktwert deutlich höher als der Buchwert ist.
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P147
Man muss sich nur die aktuellen Kurs-Buch Verhältnisse der Banken in Europa ansehen, um das Problem zu verstehen. Der Buchwert eines Unternehmens entspricht im Grunde dem Zerschlagungswert. Bei Commerzbank und Deutsche Bank entspricht der Marktwert aber nur 50% des Buchwertes. Das heißt, der Konkurswert der Commerzbank ist doppelt so hoch wie der heutige Marktwert. Anstatt die Aktionär*innen im Rahmen eines bail-in zur Kasse zu bitten, würden die Aktionär*innen also bei einer Abwicklung eine Entschädigung in Höhe des doppelten Aktienkurse erhalten.
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P148
Es besteht also enormer Spielraum bei diesem Gutachten. Der Staat hat zusätzlich das Gutachten in die Hand der Finanzindustrie gegeben: Es darf nicht von den Aufsichtsbehörden gemacht werden. Wer außer der Aufsicht hat die Kompetenz? Nur Berater, die in ihrem Lebensunterhalt von den Banken abhängig sind. Sie werden kaum ein neutrales Gutachten produzieren.
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P149
Wir wollen daher das no creditor worse off Prinzip neu definieren. Wir wollen dafür sorgen, dass die notwendigen Gutachten vor einem bail-in von einer öffentlichen Institution durchgeführt werden können. Außerdem wollen wir verfassungsrechtlich klären, wie wir die juristischen Spielregeln für den Erwerb von Bankaktien so fassen können, dass Aktionäre ihre Ansprüche auch ohne Entschädigung verlieren können, falls die Eigenkapitalquote unter 5% fällt: Aktionären von systemisch wichtigen Banken muss klar gemacht werden, dass sie in ein Unternehmen investieren, das niemals in einen normalen Konkurs gehen kann. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die Bank ausreichend kapitalisiert ist und ausreichend Liquidität zur Verfügung hat. Wenn ihnen das nicht gelingt, verlieren sie ihre Ansprüche, selbst wenn in einem hypothetischen Konkursfall theoretisch noch Masse vorhanden gewesen wäre. Es werden so viele Kredite in Eigenkapital gewandelt, bis die Bank wieder ausreichend kapitalisiert ist. Eine Ausgleichszahlung findet nicht statt. Die Gläubiger wurden ja nicht enteignet, sie haben Aktien der Bank erhalten. Weitere Ansprüche haben sie nicht.
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Bankenunion vollenden
P150
Ein Grund für die hohen Kosten der Krise war auch, dass die BaFin, so wie viele andere nationale Aufseher auch, komplett weisungsabhängig von der Politik ist und sich daher nicht traut, die sogenannten nationalen Bank Champions wirklich hart zu beaufsichtigen oder gar rechtzeitig in die Abwicklung zu schicken. Regulatory forebearance wird dieses typische Verhalten in der Wissenschaft genannt. Außerdem hat die Krise gezeigt, dass es eine fatale Abhängigkeit zwischen Banken und Staaten gibt. Kamen Banken in die Krise, befürchteten die Märkte, dass die Rettung den Staat ruinieren würde. Kamen Staatsfinanzen in die Krise, befürchteten die Märkte, dass die Banken ebenfalls in den Ruin getrieben würden.
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P151
Diese Probleme wurden mit der Bankenunion adressiert, einem Reformprojekt, das wir als europäische Grüne als Berichterstatter im Europaparlament maßgeblich mitgestaltet konnten. Auch wenn die neuen Institutionen, die gemeinsame Aufsicht (SSM), die gemeinsame europäische Abwicklungsbehörde (SRM) und der Abwicklungsfonds (SRF) natürlich angesichts notwendiger politischer Kompromisse und Zwänge, die sich aus den europäischen Verträgen ergeben, nicht perfekt sind, werten wir die Bankenunion doch als einer der größten Errungenschaften seit der Krise. Sie bringt eine Trennung von wirtschaftlicher und politischer Macht. Erstmals verzichten Nationalstaaten auf die Möglichkeit, ihre Banken mit dem Geld der Steuerzahler zu retten und mit laxer Finanzaufsicht zu hätscheln.
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P152
Probleme sind eine fehlende Kreditlinie des Abwicklungsfonds, die Ansiedlung des SSM in der EZB, viele der 150 nationalen Sonderregelungen im Europäischen Bankenaufsichtsrecht, die Bankenabgabe, die kleine und wenig riskante Banken zu stark belastet; die komplizierte Entscheidungsstruktur im SRM zur Abwicklung einer Bank und die fehlende europäische Einlagensicherung.
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P153
Die Ansiedlung des SSM bei der EZB ist den europäischen Verträgen geschuldet. Wenn es in den nächsten Jahren zu einer Vertragsänderung kommt, wollen wir die gemeinsame Aufsicht außerhalb der EZB in einer eigenen EU Institution organisieren. In diesem Zusammenhang wollen wir auch den ESRB unabhängig von der EZB machen. Dann wollen wir die Aufsicht auch über die Banken hinaus auf die großen Versicherungen ausdehnen. Die EZB darf aus rechtlichen Gründen keine Versicherungsaufsicht betreiben. Dies war einer der Hauptgründe, weshalb es nicht zur gemeinsame Aufsicht über große, grenzüberschreitende Versicherungsgruppen gekommen ist.
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P154
Wir wollen auch die Entscheidungsstrukturen der europäischen Abwicklungsbehörde deutlich vereinfachen. In Zukunft soll die Behörde die Entscheidung zur Bankenabwicklung autonom treffen. Willkürliches Handeln wird vermieden, da sich die Behörde nach vollzogener Abwicklung in aller Transparenz vor dem Europäischen Parlament verantworten muss.
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